Amedeo Baumgartner
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Amedeo Baumgartner, Bildermacher und Autor, wohnhaft in Bern und Zürich, geb. 1953 in Zürich, ausgebildet und geformt durch Hinschauen und Hinhören auf zahlreichen Reisen vor allem in Asien.
„Was ich nie vergesse, was mich in meinem bildnerischen und literarischen Schaffen entscheidend geprägt hat: Geschehnisse, verrückte Erlebnisse, die mir den Sinn für den Augenblick geschärft haben, für die Momentaufnahme, die eine ganze Geschichte erzählt, die weit über das Dingliche hinausweist, das sie auf den ersten Blick zeigt, zum Beispiel...
... wie ich eines Nachts in einem kleinen Dorf in Sumba, Indonesien, dem Beschwörungstanz der Dorfgemeinschaft beiwohnte, der ein wichtiger Kultgegenstand gestohlen worden war. Vollmond, die Wolken jagten sich, starker Wind. Die Frauen und Mädchen, festlich gekleidet, sangen Klagelieder, die Männer, fast nackt, in einer Reihe rhythmisch wippend, stiessen mit schrillen Schreien die Speere von sich weg, in die Höhe. Danach, nach dem Abschied vom Dorfvorsteher, der stundenlange Heimweg, zu Fuss, da der Jeep im Sumpf steckengeblieben war, einfach auf schmalen Pfaden und Strässchen, dem Gefühl nach in die Richtung zurück, wo wir wohnten. Die wilde Landschaft in bläuliches Licht getaucht, in der Ferne gelegentliches Hundebellen, das Heulen des Windes. Schweigen und Gehen. ... wie ich in Vietnam in einem Boot den Mekong im Nieselregen flussaufwärts tuckerte, die Ufer nur als schemenhafte Linie erkennbar, alles graugrünblau. Alles sehr langsam, gespenstisch, schattenhaft. Auf einmal der kleine Einbaum mit dem darin stehenden Mädchen vor uns. Ein kurzes fröhliches Lachen und Winken, dann war der Spuk auch schon vorbei. ... wie ich mit einer kleinen Kamel-Karawane sieben Tage lang zu Fuss durch die Wüste Taklamakan (China) ging, Sanddüne hinauf, Sanddüne hinunter, manchmal hunderte Meter hinter dem letzten Tier, mutterseelenallein, den Spuren nach. Vollkommene Stille, Sand, soweit das Auge reichte, überspannt von einem makellos blauen Himmel. Nachts das Sternenmeer, zum Greifen nah. Das Glück der totalen Ruhe. ... wie auf einer Passhöhe mitten im nepalesischen Himalaya, zwischen Daulagiri und Annapurna plötzlich heftiger Schneefall einsetzte, Millionen tanzender weisser Punkte vor dem leuchtenden Rosa und Rot der Blüten eines Rhododendron-Wäldchens. Das Grau des Himmels zerstäubte sich wie der Atem eines Giganten in eiskalter Luft. ... wie mir mitten im Gewirr der engen Gassen in der heiligsten Stadt der Hindus, in Varanasi (Indien), ein uralter Saddhu in unglaublicher Weise wahre Begebenheiten meines Lebens aus der Hand las. ... wie ich mit einem Freund zusammen spät in der Nacht im Nirgendwo des thailändisch-malayischen Grenzgebietes stand und nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau hielt. Wir mussten noch vor Mitternacht ausreisen, weil unsere Visa ausgelaufen waren. Übernachtungsmöglichkeiten gab es nicht, der letzte Bus war schon längst abgefahren. Schliesslich durften wir auf einem Motorrad zum ersten Ort in Malaysia mitfahren. Zwei Stunden durch den düsteren Dschungel, zuweilen an Sandsackburgen mit auf uns gerichteten Maschinengewehren vorbei. Manchmal das Aufglühen einer Zigarette, ein Scheinwerfer, ganz kurz. Drei Mann, zwei grosse Rucksäcke, ein Motorrad, eine mobile Skulptur vor grotesker Kulisse. ... wie im Dschungel Orissas (Indien) plötzlich ein halbnackter Angehöriger des Stammes der Bonda hinter einem Gebüsch hervorsprang und mit blutunterlaufenen Augen den Bogen spannte und auf meinen Bauch zielte. Nach dem ersten Schreck beschwichtigte ich ihn durch Murmeln und allerlei langsame Gesten. Nach etwa zehn Minuten hatte ich ihm alle seine Pfeile abgekauft, der Mann trollte sich, wahrscheinlich um neuen Schnaps zu kaufen. Der Pfeil, der sich mit meinem Bauch anfreunden wollte, ist noch heute mein Talisman zu Hause. ... wie ich im Linienbus von Peshawar nach Lahore (Pakistan) im überfüllten Linienbus neben den Fahrer zu sitzen kam und schon nach kurzer Zeit bemerkt habe, dass der Mann kaum etwas sah. Darauf angesprochen antwortete er mir in seinem gebrochenen English, dass seine Brille zerbrochen sei, er aber trotzdem fahren müsse, weil er sonst seinen Job verliere. Und dass dies unter uns bleiben müsste. Stundenlang lotste ich dann unseren Fahrer mehr schlecht als recht durchs Verkehrsgewühl, dirigierte in mit einfachen Anweisungen, „links, noch etwas links, langsamer, Ochsenkarren vor uns …..“, und so weiter. Heil in Lahore angekommen ging ich mit ihm zu einem Optiker und verschaffte ihm eine neue Brille (modern style!), die er vielleicht noch heute trägt. ... wie ich in der jemenitischen Hochebene an einer Tankstelle nach einer Mitfahrgelegenheit fragte, weil ich nach Sukh-al-Kamis in den Bergen wollte und dort kein Bus hinfuhr, nach kurzer Zeit in einen Pickup mit einem wild aussehenden, bärtigen Mann mit Turban und Kalashnikov am Steuer, stieg. Obwohl ich mich mit meinem Rudimentär-Arabisch ganz gut mit ihm verständigen konnte, merkte ich, dass wir immer mehr von den in der Ferne erkennbaren Bergen abdrehten und auf Sandpisten in hügeliges Gelände gerieten. Vor einer Anhöhe hupte der Fahrer wie toll, jagte die Düne hoch und dann die Senke hinunter, wo vor einer windschiefen Hütte sieben, acht Kollegen seines Kalibers, alle mit Kalashnikovs im Anschlag, auf uns warteten. Ich verlor keine Zeit mit leer Schlucken, Schiss kriegen oder blöden Fragen, sondern stieg unverzüglich aus der Kabine, kletterte auf die Ladebühne, zeigte mit ausgestrecktem Arm gegen den höchsten Berg in der Ferne und besann mich auf mein gutes, altes, berndeutsches Fluchen. Während der Tirade glotzten mich alle in der Runde vollkommen verblüfft an. Kaum hatte ich mein verbales Pulver verschossen, kam ein weiteres Fahrzeug die Senke heruntergebraust: Ein Polizeijeep, mit dem ein staatlicher Wähler-Registrierer unterwegs war, der eben diese meine neuen Kumpels ins Stimmregister aufnehmen wollte. Und ich wurde nebenbei darin belehrt, dass dieser Ort mit dieser Hütte wie tausend andere Orte im Jemen Sukh-al-Kamis hiess. ... wie ich einst auf Palawan (Philippinen) mitten im Dschungel einem Jungen einen Papagei, den er kurz zuvor gefangen hatte, abkaufte und freiliess. Der Papagei schwang sich in einem weiten Bogen hoch hinauf in die Wipfel und verschwand im Blätterwerk. wie ich in strömendem Regen in einem Kajak die weit verästelte Narew (Polen) hochpaddelte, unten Wasser, oben Wasser, links und rechts Wasser, alles grünlichgrau, bis plötzlich die Wolkendecke aufriss und Sonnenstrahlen, wie durch einen gigantischen Schein gebündelt, die Schilfwände vor mir in eine bunte Märchenkulisse verwandelten. Für ein paar Sekunden Las Vegas auf der Narew. ... wie ich in einem Kloster in Bhutan einer Lehrstunde beiwohnen durfte, bei welcher immer zwei Novizen vor den Meistern Streitgespräche führen mussten, von denen ich zwar kein Wort verstand, die mich indessen wegen der Ernsthaftigkeit, dem Eifer und dem Vergnügen bei gelandeten Treffern und Pointen, die alle beklatschten faszinierten. Und so weiter. Und viele meiner Reiseeindrücke habe ich fotografisch festgehalten und manchmal habe ich die Umgebung etwas umgestaltet. |